Elke Murlasits neben einem Kunstwerk der Ausstellung "Gift"

Gift im Schaumbad

Lesezeit: 3 Minuten

Elke Murlasits ist Künstlerin, Journalistin, Historikerin und seit Jänner 2021 auch künstlerische Leiterin des Atelierhauses Schaumbad in Graz. In diesem wurde am 10. Juni 2022 die Ausstellung „Gift (dt./engl.)“ eröffnet. Ein Gespräch mit Elke Murlasits über ihren Werdegang und wie sich „Gift (dt./engl.)“ dem Moment des alltäglichen Kontrollverlusts nähert.

Über ein Industriegelände geht es zwischen geparkten Kleinlastwagen an vielen leerstehenden Gebäuden vorbei in Richtung freies Atelierhaus Schaumbad. Ob es der richtige Weg ist, ist fraglich. Einzig und allein der Pfeil auf der Navigations-App weist den Weg. Nach einer Rechtskurve taucht die ehemalige Limonadenabfüllfabrik, die heute eine Kunststätte ist, auf.
„Es hätte auch einen direkteren Weg hierher gegeben, aber den kennt Google Maps nicht“, lacht Elke Murlasits. Wäre es klüger gewesen, sich auf die eigene Orientierung zu verlassen und nach einem Wegweiser Ausschau zu halten, anstatt auf’s Handy zu blicken? Solche Fragestellungen rund um Themen wie Digitalisierung oder Alkoholkonsum behandelt die aktuelle Ausstellung „Gift (dt./engl.)“ im Schaumbad. Kuratiert wurde sie von Elke Murlasits und Keyvan Paydar.

Alkoholgläser und Abfüllfläschchen stehen auf einem Tisch
Alkohol: Genuss oder Gift? („Wir trinken gern“ von Belinda Winkler). – Foto: Franziska Jaeger

Elke Kolumna

Schon in jungen Jahren interessierte sich Elke Murlasits für Migration, nicht zuletzt, weil ihre Großmutter aus Polen kam und ihr Großvater burgenländischer Kroate war. Beide kamen nach Gratkorn, um dort in der Industrie zu arbeiten. Wer migriert? Was haben diese Menschen für Intentionen? Ist es legitim aus wirtschaftlichen Gründen zu migrieren? Mit solchen Fragen beschäftigte sich Elke Murlasits schon damals und versuchte,  sie für ihre Familie zugänglich zu machen. „Wie kann ich meinem Papa, der findet, dass beim Migrieren immer nur „Banditen“ kommen – was jetzt mit der Familiengeschichte schwer zusammenpasst – erklären, wie Migrationen zustande kommen und dass das eine Konstante der Menschheit ist“, erzählt sie. Angetrieben von der Leidenschaft, komplizierte Sachverhalte einfach zu vermitteln, studierte die Künstlerin schließlich Geschichte und Kulturwissenschaften in Graz. „Ich wollte immer Karla Kolumna aus Benjamin Blümchen werden“, verrät sie.

Unvergängliche Kirschblüten

Bereits während des Studiums kam Elke Murlasits ihrem Wunsch ein Stückchen näher und begann bei der Internetausgabe des Mediums „Der Standard“ zu arbeiten. 2002 gründete sie gemeinsam mit Andrea Schlemmer, Daniela Jauk und Anita Mörth die Künstlerinnengruppe „Lady Tigers Night Club“. Als Teil dieser Gruppe wirkte sie beispielsweise bei der Ausstellung „Kirschblütenfest“ in Graz mit. Die Künstlerin fotografierte damals eine Kirschblütentätowierung der heutigen Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwentner. Sie zoomte so weit wie möglich in das Bild und beklebte das Internatsbad des ehemaligen Landesschülerinnenheims mit den Bildern. „Eine Kirschblüte steht für Vergänglichkeit. Ein Tattoo ist etwas, was auf der Haut unvergänglich sein soll. Ich wollte herausfinden, was der letzte unveränderbare Farbpixel ist. Mit diesen hautfarbenen Pixeln habe ich das Badezimmer ausgestaltet“, berichtet sie.
In dieser Zeit beschäftigte sich Murlasits intensiv mit Kunst und war in diesem Bereich auch selbst tätig. 2003 wirkte sie beim Kulturhauptstadt-Projekt „Berg der Erinnerungen“ mit, für das sie zahlreiche Interviews zur Geschichte der Stadt Graz führte. Nach der Geburt ihrer zwei Kinder arbeitete sie sechs Jahre bei einem ihrer „absoluten Lieblingsfestivals“, dem „Steirischen Herbst“, mit. Sie führte außerdem als Leiterin der Abteilung Alltagskultur im Universalmuseum Joanneum in Graz das „Büro der Erinnerungen“ und inklusive Formate, wie multisensorische und mehrsprachige Führungen, ein. Im Jänner 2021 übernahm die 46-Jährige schließlich die künstlerische Leitung im Schaumbad.

Fluch oder Segen?

In der aktuellen Ausstellung „Gift (dt./engl.)“ wollen sich die Kurator:innen Elke Murlasits und Keyvan Paydar mit den Arbeiten von 38 Künstler:innen jenem Moment nähern, der den Keim des Kontrollverlusts im Alltag in sich trägt. „Die Besucher sollen über eine ästhetische Erfahrung Zugang zu einem Moment bekommen“, erklärt die Künstlerin. Besonders deutlich macht dies das Kunstwerk „lights on“ von Elisabeth Gschiel: Im Eingangsbereich hängt ein Luster aus Injektionsspritzen, der auf die Coronaimpfungs-Thematik anspielt. Auf den ersten Blick elegant, auf den zweiten bedrohlich.

Injektionsspritzenluster
„lights on“ von Künstlerin Elisabeth Gschiel. – Foto: Franziska Jaeger

Auch die Digitalisierung wird in der Ausstellung beleuchtet, wie Elke Murlasits an einem bekannten Beispiel zeigt: „Das Navi eröffnet mir klarerweise komplett andere Welten. Aber wenn ich gar nicht mehr weiß, wo ich hingefahren oder gegangen bin und keine Orientierung mehr habe, ist es dann noch ein Segen? Aber soll ich deswegen kein Navi mehr nehmen?“

 

Titelbild: Elke Murlasits vor einem der Kunstwerke der Ausstellung „Gift (dt./engl.)“ im Schaumbad. Foto: Franziska Jaeger

Eine neugierige, bisschen verpeilte, aber eigentlich ganz nette Oberösterreicherin, der die Steiermark auch ganz gut gefällt.

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