Mitglieder von Raum117 sitzen mit Fabian zusammen auf Couchen
Raum117 erzählt von ihren aktuellen Projekten. - Foto: Till Vedder

Raum117: Bunte Kunst in der Betonstadt

Lesezeit: 4 Minuten

Der Verein Raum117 will Künstler:innen Gehör verschaffen und über öffentlichen Raum in Graz diskutieren. Ausgehend vom zwischengenutzten Raum eines der größten Immobilienentwickler der “smarten” Waagner-Biro-City, gestalten sie die Stadt. Demnächst präsentieren sie Fotos davon auf der Murinsel.

Treppenhaus voll mit Graffiti-Künstler-Tags
Ein Stiegenhaus voller Künstler-Tags. – Foto: Fabian Rostek

Eine bunter Schriftzug, “Concrete Jungle”, ziert eines der letzten alten Gebäude der “Smart City”. Die Lagerhalle in der Waagner-Biro-Straße 117, ehemals im Besitz von Stahl-Eberhardt, ist fast vollständig von Graffiti bedeckt. Das Streetart-Festival Jam117 fand noch im Sommer neben der Halle statt, heute ist dort ein Parkplatz. Auch das Stiegenhaus des Gebäudes ist mit Graffiti übersät. Kommt man in den oberen Räumen an, ist es, als würde man eine andere Welt betreten. An den Wänden stapeln sich Spraydosen und Farbeimer. Auf Tischen und Staffeleien sind Skulpturen und Gemälde verteilt, in der Mitte hängt eine Schaukel von der Decke herab.

Schon bevor sich der Verein Raum117 im Vorjahr hier gründete, war dieser Teil des Lagerhauses ein Schlupfwinkel für Kreative. Die ersten Leute kamen, als die riesigen Hallen auf den Reininghausgründen abgerissen wurden. Als sich der damalige Verein auflöste, wurden einige Mitglieder auf Florian “Flo” Perl aufmerksam gemacht. Der Graffiti-Künstler kam zum Lagerhaus, weil das Besprühen der Wände hier erlaubt war. Flo war in der Szene gut vernetzt und schnell formte sich ein Künstlerkollektiv, das heute als Raum117 in der Waagner-Biro-Straße aktiv ist.

Gleich zu Beginn einigten sich die Mitglieder auf eine Grundphilosophie. Sie wollten einen Ort für Künstler schaffen. Diversität sei dabei einer der wichtigsten Werte, die der Verein vertritt. „Es geht darum, dass alle so viel Unterschiedliches machen und jeder total gerne seine Leidenschaft teilt”, betont Elena „Ella” Laaha. Sie ist Fotografin und hilft bei organisatorischen Tätigkeiten. Es gehe aber auch darum, Raum zu geben. Der Verein will Platz schaffen für Kunst, die man nicht zu Hause machen kann. Wegen der Dimension der Werke oder weil der Arbeitsort fehlt.

Finanziert wird die Raummiete durch Mitgliedsbeiträge. Für größere Events erhielt die Gruppe schon Unterstützung von Sponsoren wie Trivalue. Das Immobilienunternehmen entwickelte selbst große Teile der Smart City, wie die “Smart City Süd” der auffallende Wohn- und Gewerbekomplex auf der Waagner-Biro-Straße 84 und das “Smart Quadrat” auf Nummer 109 bis 113.

Trivalue baut gerade an einem “Smart Tower” auf Hausnummer 122 und einen “Smart Stick” mit 78 Wohnungen auf Nummer 120 und besitzt auch das Lagerhaus, in dem Raum117 wirkt.

Graffiti Schriftzug an Wand "Wo Gesetze anfangen endet die Freiheit"
Ein künstlerisches Statement an der Wand des Lagerhauses – Foto: Fabian Rostek

Graffiti im Diskurs

Die Waagner-Biro-Straße zu verschönern, ist das größte Projekt, das die Gruppe bis jetzt in Angriff genommen hat. Mit dem Graffiti-Festival Jam117 brachten sie Künstler:innen zusammen, um die Wände des Lagerhauses sowie einige andere Flächen in der Smart City zu gestalten. Der Diskurs, der in der Graffiti-Szene immer wieder über legale Wände aufkommt, beschäftigt die Mitglieder. Die Frage danach, ob das Sprayen auf legalen Flächen cool oder überhaupt Graffiti ist, sei ein zentraler Streitpunkt. Als Organisation wollen sie keine eindeutige Position vertreten. „Wir wollen hauptsächlich Leuten die Möglichkeit geben, sich zu dem Thema zu äußern”, meint Ramona Lavrincsik, die wesentlich  an der Organisation der Ausstellung auf der Murinsel beteiligt ist.

Öffentlichen Raum gestalten

In Folge des Graffiti-Festivals bot City of Design, ein Referat in der Grazer Abteilung für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung, den Künstlern von Raum117 an, eine Foto-Ausstellung auf der Murinsel zu präsentieren. Ursprünglich sollte die Ausstellung am 3. Dezember nur Bilder von Vereinsmitgliedern enthalten. Doch diese beschlossen – ganz im Sinne der Vereinsphilosophie – diese  Chance zu teilen. „Es gibt so viele talentierte Fotograf:innen, die nie die Möglichkeit hätten, irgendwo irgendwas auszustellen“, sagt Ramona. „Es geht immer darum, dass wir Leuten Platz geben wollen.” Deshalb wurde für die Murinsel das Projekt FLOW entwickelt. Mit einer Ausschreibung sammelten sie Fotografien zum Thema Graffiti und Streetart, die zusammen mit Fotos des Jam117 ausgestellt werden.

Parkplatz mit Graffiti im Hintergrund
Der Schauplatz von Jam117 wurde zu einem Parkplatz umfunktioniert. – Foto: Fabian Rostek

Zwischennutzung ist des Künstlers Freund

Zwischennutzung ist ein zentrales Thema, das die Mitglieder von Raum117 begleitet. „Zu wissen, dass etwas endlich ist, bringt viel mehr Energie und Motivation rein“, findet Ramona. Andere im Verein sehen das kritischer. Sie haben Angst, dass es irgendwann keine Orte wie die ehemaligen Reininghausgründe oder die alte Lagerhalle mehr gibt. Die Stadt verändere sich eben, meinen die anderen. Wenn ein Ort verschwindet, entsteht woanders ein Neuer. Beispiel dafür sei auch die Waagner-Biro-Straße. „Die Wände, die wir bekommen haben, sind alles Wände, die bald einmal abgerissen werden. Das bietet aber eine Möglichkeit“, sagt Ramona.

Auch Flo steht Zwischennutzungen nicht nur positiv gegenüber: „Ich hätte gerne, dass das auf Augenhöhe passiert.” Er habe das Gefühl, in Graz sei die Einstellung oft willkürlicher: „Geben wir es halt den Künstlern. Wir können sie eh jederzeit raushauen und sie können sich wieder einen neuen Platz suchen.” Florian ist immer wieder auf der Suche nach leerstehenden Räumen: „Da wäre viel mehr möglich, wenn man die Leute, die Kunst und Kultur machen, ernster nehmen würde.“

Wie lange die Künstler:innen die Räumlichkeiten noch mieten können, ist derzeit unklar. Die im Moment bekannte Frist, das erste Quartal 2025, ist nicht sicher. Auf der Website von Trivalue sind bereits erste Pläne für 117 zu begutachten. Auf den Renderings zum “Parkview”-Komplex für Büros, Bildungs- und Sporteinrichtungen samt Dachterrasse ist ein Skater zu sehen, die Fassade ist als Boulderwand gestaltet. Graffiti sind keine mehr im Bild. Und wenn es dann soweit ist, werden sich Flo, Elena, Ramona und die Anderen wohl einen neuen Ort suchen müssen.

 

Titelbild: Raum117 erzählt von ihren aktuellen Projekten. – Foto: Till Vedder

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