Im Sommer musste der Ungerhof in Gries zusperren, weil dem letzten Pächter der Koch gekündigt hatte. Seit Anfang November bewirtet nun der neue Pächter Yusuf Buhurcu Jung und Alt im urigen Gasthaus.
Dienstag, kurz nach 16 Uhr. Das Mittagsgeschäft ist vorbei und gerade ist nicht allzu viel los. An einem Tisch ist ein Stammgast in seine Zeitung vertieft, ein halbvolles Bier vor ihm. Daneben sitzt ein älteres Pärchen, ebenfalls Stammkund:innen, und hinter ihnen plaudert die Kellnerin mit zwei Männern, die sich gerade zwei Verlängerte bestellt haben.
Der Ungerhof, den es bereits seit 1889 gibt, erweckt noch immer den Eindruck eines urigen, österreichischen Gasthauses. Lange Zeit wurde er von der Familie Wutzl, den Besitzer:innen, selbst geführt, über zwei Jahrzehnte prägte Kurt „Mr. Voice“ Haid das Gasthaus und zuletzt wollte Antonio Lovric das Menü um Mediterranes erweitern. Dann kündigte der Koch und das Lokal wurde zwangsläufig zugesperrt, bis Yusuf Buhurcu den Hof übernahm.
Die Einrichtung ist aus Holz, die Eckbänke mit gestreiftem Stoff überzogen und an den Wänden rustikale Bilder, die Blumen, Obst oder bäuerliche Szenen zeigen. Auf einem Bildschirm läuft tonlos ORF 1 und wenn die Gespräche kurz verstummen, hört man Musik von Radio Steiermark.
Umfangreiches Angebot im Ungerhof
Erst ein Blick auf die Speisekarte verrät, dass das Angebot über die typisch österreichische Küche hinausgeht: Bruschetta, Cevapcici, Calamari, gegrillter Spinat mit Schafskäse finden sich dort neben Frittatensuppe oder Wiener Schnitzel. Man müsse einfach mehr Auswahl bieten, sagt der neue Pächter Yusuf Buhurcu. Vor allem die jüngeren Gäste würden günstigere und oftmals vegetarische Gerichte verlangen.
27 Bewerber:innen habe es für den Ungerhof gegeben, erzählt der gebürtige Türke, der selbst schon seit fast 35 Jahren in der Gastronomie tätig ist. Von ganz unten habe er sich hochgearbeitet, erst als Tellerwäscher in der Schweiz, dann in der Salatzubereitung, später als Pizzakoch. Mittlerweile kenne er die Branche aus allen Perspektiven – als Kellner, Koch, Geschäftsführer und Inhaber. Dass er wie der letzte Pächter zusperren muss, weil ihm der Koch fehlt, kann Buhurcu nicht passieren. Im Ungerhof steht er selbst vor dem Herd. Seine Stärke liege in der Konzeption abwechslungsreicher Menüs. Weniger Freude bereitet ihm dagegen die einfache Zubereitung von Paniertem: „Mehl, Ei und Brösel und dann gleich in die Fritteuse hineinhauen – das ist kein Kochen. Das kann jeder machen.“
Geschäft wie Harakiri
Die momentane Situation in der Gastronomie vergleicht Buhurcu mit Harakiri. Allen, die als Unternehmer:innen davon leben und Geld verdienen wollen, rate er derzeit aufgrund des hohen Risikos davon ab. Die Einkaufspreise seien gestiegen, wenn auch ungleichmäßig, bei Fleisch deutlich stärker als bei Gemüse oder Fisch. Die Lebensmittel kaufe er frei – „mal da, mal dort“ – aber immer möglichst nah, um Spritverbrauch und Fahrzeit gering zu halten. Dazu kommen hohe Kosten für Energie und Personal, wobei sich letzteres zudem nur schwer finden ließe. Warum er sich das – unterstützt von Frau und Kindern – dennoch antut: „Für einen anderen will ich nicht arbeiten, will immer mein eigener Chef sein.“
Zu viel Konkurrenz
Abseits von Teuerung und Personalsituation sieht Buhurcu das Problem vor allem im zu großen Angebot: „Es ist überhaupt nicht normal, dass es in so einer kleinen Stadt so viel Gastronomie gibt. Für 300.000 Einwohner zehn bis fünfzehn McDonald’s. Das ist zu viel.“ Tatsächlich gibt es in Graz und Umgebung zehn Filialen. Jedenfalls könne auf diese Weise niemand richtig profitieren. Wenn die Politik irgendwo eingreifen solle, dann hier.
Erschwerend kämen in den letzten Jahren die Lieferdienste hinzu. Er verstehe zwar den Bequemlichkeitsaspekt dahinter, aber: „Dieses System hat alles komplett kaputt gemacht – die Werte, dass die Menschen rausgegangen sind auf ein Bier und im Gasthaus alles belebt war. Gerade kann nicht davon die Rede sein, dass ein Lokal bis 10, 11 Uhr offen hat.“ Außerdem rentiere sich der Lieferservice für viele Lokale gar nicht. Manche dieser Dienste würden 30 Prozent des Erlöses fordern, ohne selbst Kosten für die Essenszubereitung tragen zu müssen.
Motiviert durch den Winter
An den täglichen Öffnungszeiten will Buhurcu festhalten. Es sei auch noch zu früh, um den Tag mit der schwächsten Auslastung feststellen zu können. Andererseits könne er sich einen ganzen Ruhetag nicht leisten. Möglicherweise wird er nach Neujahr an einem Tag bereits nach dem Mittagsgeschäft zusperren. „Ich bin froh, dass ich sonntags und feiertags auch etwas früher nach Hause gehen kann.“
Buhurcu hofft, im Sommer mit dem Gastgarten wirklich durchstarten zu können. Bis dahin will er „sparen, sparen, sparen und fleißig sein. Motivation haben und nicht negativ denken, obwohl die Situation negativ ist. Durchhalten und aufbauen, und Herzen und Gäste gewinnen, mehr nicht.“ Zaubern könne er nicht.
Titelbild: Neuer Pächter Yusuf Buhurcu kocht seit Anfang November im Ungerhof. – Foto: Kathrin Strohmaier