41 Jahre Frauenhäuser – Geschichten aus der Gewaltarbeit

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Die steirischen Frauenhäuser haben gerade ihren 40. Geburtstag aus dem Vorjahr nachgefeiert. Langjährige Mitarbeiterinnen erzählen von den Anfängen und geben  einen Ausblick in die Zukunft.

Als das Grazer Frauenhaus am 12. Dezember 1981 im Gries in der Albrecht-Schweitzer-Gasse eröffnete, war Gewaltschutz für Frauen alles andere als selbstverständlich. Das erste europäische Frauenhaus war erst zehn Jahre zuvor in London im Zusammenhang mit der zweiten Welle der Frauenbewegung von Erin Pizzey in den Gemäuern eines Abbruchhauses gegründet worden. Österreichs erstes Frauenhaus eröffnete 1978 in Wien. In Graz waren damals innerhalb kürzester Zeit die 30 vorhandenen Plätze besetzt, erinnert sich Ursula Hebenreich, die in den Anfängen dabei war.

Das erste Frauenhaus in der Albert-Schweitzer-Gasse – Foto: Verein Frauenhäuser Steiermark

Auch so mancher Kommunalpolitiker hatte in der Gründungsphase Zweifel an der Notwendigkeit des Hauses geäußert. Dass das Frauenhaus dennoch entstand, ist vor allem Grete Schurz zu verdanken, die sich in zähen Verhandlungen mit dem damaligen Grazer Bürgermeister Alexander Götz durchsetzen konnte, sagt Hebenreich.

Ursula Hebenreich, heute bereits in Pension, war damals als “Allrounderin” im Haus tätig, dessen Standort vor der Öffentlichkeit zunächst geheim gehalten wurde. Damals gab es noch keine modernen Sicherheitssysteme. In den Jahren bis zu ihrem Ruhestand hat sie viel erlebt. Es sei immer wieder vorgekommen, dass die Männer trotz der nicht preisgegebenen Adresse den Weg zum Frauenhaus fanden.

Ein Erlebnis Mitte der 90er-Jahre ist ihr besonders in Erinnerung geblieben: „Eine Klientin wurde von ihrem Mann bedroht. Es würde etwas passieren, wenn sie nicht bis zum Abend wieder zu Hause sei.“ Daraufhin begleitete Hebenreich die Frau zur Polizei, wo diese von der Drohung ihres Mannes erzählte. „Da sah der Polizist demonstrativ auf seine Armbanduhr und sagte: ,Da haben Sie ja noch Zeit.‘“

Heute herrsche ein anderes Bewusstsein, sagt Hebenreich. Die Medien haben in den letzten beiden Jahren groß über die Häufung von Femiziden berichtet: 29 Fälle waren es laut Innenministerium im vergangenen Jahr. Heuer gab es bereits 28 Femizide und die Zahl könnte noch steigen. Um zu verhindern, dass es so weit kommt, bieten die Frauenhäuser in Graz und Kapfenberg, welches 2005 eröffnet wurde, insgesamt 72 Plätze. Einen sicheren und geschützten Zufluchtsort für Frauen und ihre Kinder. „Die Gewaltgeschichten haben sich nicht wirklich geändert“, sagt Hebenreich. Aber es gebe eben mehr Unterstützung.  Dies sei vermutlich ein weiteres Verdienst der Frauenhäuser, die neben der Unterstützung und Betreuung der Klientinnen von Beginn an auch Öffentlichkeitsarbeit geleistet haben.

Der Umzug

Seit 1999 befindet sich das Frauenhaus in der Fröhlichgasse. Ein größeres Gebäude mit mehr Plätzen für Frauen und Kinder war dringend notwendig geworden, um niemanden abweisen zu müssen. „Der Umzug selbst war eine logistische Herausforderung, es mussten ja nicht nur die Büros, sondern auch sämtliche Sachen der Frauen und Kinder übersiedelt werden“, schildert Ursula Hebenreich. In nur einem Tag habe der Umzug über die Bühne gehen müssen, um die Sicherheit aufrecht zu halten. Sogar der Telefonnotdienst wurde an jenem Tag parallel weitergeführt. „Es hat alles irgendwie funktioniert. Wir haben wie immer alle zusammengeholfen. Gegen Abend schließlich war alles weggebracht und ich habe wehmütig ein letztes Mal die große hölzerne Tür und das Tor abgesperrt“, erinnert sich die ehemalige Mitarbeiterin.

Das aktuelle Frauenhaus in der Fröhlichgasse – Foto: Verein Frauenhäuser Steiermark

Die Übergangswohnungen im Annenviertel

Doch ganz kehrte das Frauenhaus dem Annenviertel nicht den Rücken. Bereits Ende der 80er-Jahre wurden sechs Übergangswohnungen am Siegmundstadl eingerichtet. Einige Wohnungen befinden sich noch immer in dem Viertel. „Die Übergangswohnungen sind leistbare und betreute Wohnungen, in die Frauen nach dem Aufenthalt im Frauenhaus ziehen können”, sagt Frauenhaus-Geschäftsführerin Michaela Gosch, die wir in der Fröhlichgasse nach den Jubiläumsfeierlichkeiten getroffen haben. Die Wohnungen seien preislich an die Lebensumstände der Bewohnerinnen angepasst. „Sie helfen uns auch dabei, die Frauen weiter zu betreuen und den Gewaltschutz durch das Frauenhaus sowie die Gewaltprävention nachhaltig abzusichern.“  Dieses Modell habe sich bewährt. Mit einer Erhöhung des Budgets im nächsten Jahr kommen zu den schon bestehenden zwölf Übergangs- und Krisenwohnungen sieben weitere dazu.  

Die Gewalt gegen Frauen

Im Zuge des Geburtstags haben die Frauenhäuser zusätzliche Projekte zur Gewaltprävention ins Leben gerufen. Mithilfe von Workshops, Fachtagungen und der Ausstellung „Gewaltschutz On Tour“, die dieses Jahr durch die Steiermark tourte und Anfang nächsten Jahres im Annenviertel gezeigt wird, soll mehr Bewusstsein zum Thema Gewalt gegen Frauen geschafft werden. Die Ausstellung zeigt auf, wie präsent die Problematik nach wie vor ist und wie überholte Werte, Vorurteile und Tabus dafür sorgen, dass sich ein Machtungleichgewicht entwickelt. Dieses wiederum bildet die Basis für Beziehungsgewalt, wie Gosch erklärt.

Die Wanderausstellung „Gewaltschutz on Tour“ bei der Eröffnung in Leibnitz – Foto: Fabian Ifkovich

Vor allem in den Pandemiejahren war die Situation prekär. Die steirischen Frauenhäuser waren zu dieser Zeit teilweise sogar überfüllt, ​​wie der Verfasser dieses Textes selbst erfahren hat, da er dort in dieser Zeit als Zivildiener tätig war. In den letzten Monaten sei der Bedarf an Plätzen aber wieder etwas zurückgegangen, sagt Michaela Gosch. Dennoch: Die Auslastung liegt seit Jahren bei 95%. Bis heute haben die steirischen Frauenhäuser rund 7000 Frauen Zuflucht geboten. Noch lässt sich nicht abschätzen, wie sich die aktuelle Situation rund um die Inflation auf die Zahlen der Fälle von familiärer Gewalt auswirken wird. Geschäftsführerin Michaela Gosch betont jedoch die Wichtigkeit der Präventionsarbeit: „Es gilt, bei den Kindern und Jugendlichen anzusetzen und sie zu sensibilisieren. Wie man miteinander gegenseitig umgeht und was eine gute, gewaltfreie Beziehung ausmacht.“

 

Titelbild: Michaela Gosch begrüßt die Teilnehmer:innen der Fachtagung zum Thema Pornografie und die Verbindung zu Beziehungsgewalt – Foto: Verein Frauenhäuser Steiermark

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