Vizebürgermeisterin Schwentner im Pressegespräch
In einem Pressegespräch beschreibt Vizebürgermeisterin Judith Schwentner die Pläne für 2023 Foto: Stadt Graz

Radoffensive Graz: 7 Fragen, 7 Antworten

Lesezeit: 4 Minuten

Die Radoffensive der Stadt Graz ist im Gange. Trotzdem gibt es immer wieder Proteste von Critical Mass und Kritik von der Radlobby Argus. Was 2022 passiert ist, was 2023 kommen wird, welche Probleme bestehen bleiben und wie die Maßnahmen das Annenviertel betreffen.

von Nina Ebner-Ornig, Alina Kaufmann und Fabian Rostek

Radoffensive? Was ist denn das?

Bis 2030 sollen 100 Millionen Euro in den Ausbau der Radinfrastruktur in Graz investiert werden. Das haben die Stadt Graz und das Land Steiermark bereits 2021 angekündigt. Der zugehörige Masterplan beinhaltet ein fertiges Radnetz mit Haupt- und Nebenrouten, die nicht nur Graz, sondern auch das Umland verbinden sollen. Ziel ist es unter anderem, die mit dem Fahrrad zurückgelegten Strecken mittelfristig um zehn Prozentpunkte auf 30 Prozent anzuheben. Die Grazer Vizebürgermeisterin Judith Schwenter (Grüne) spricht davon, die “Verkehrspyramide umzudrehen”. Ein Umdenken der Stadtplanung sei nötig. Man müsse Fußgänger:innen und Radfahrer:innen priorisieren und Autos hinten anstellen.

Wie stehen die Grazer:innen zur Entwicklung?

In Graz gibt es schon lange Initiativen und Bewegungen, die mehr Sicherheit und vor allem mehr Platz für Radfahrer:innen auf den Straßen fordern. Auch jetzt verebben Forderungen nicht, obgleich sich das politische Augenmerk stärker auf das Thema Radfahren richtet.

Critical Mass ist eine dieser Bewegungen. Die spontane, monatliche Demonstration fordert mehr Platz auf den Straßen. Die Teilnehmer:innen treffen sich jeden letzten Freitag des Monats am Südtirolerplatz. Jede:r kann sich der Gruppe von Fahrradfahrer:innen anschließen. Die Forderung hier ist klar: „Dass wir es irgendwie schaffen, weniger Autoverkehr in Graz zu haben. Es wird so viel unnötig mit dem Auto gefahren“, wünscht sich ein Teilnehmer.

Seit 2013 gibt es die Radlobby Österreich, die sich als Bundesverband für die Interessen von Fahrradfahrer:innen einsetzt. Stephan Landgraf von der steirischen Radlobby ARGUS ist ebenfalls nicht besonders begeistert von der aktuellen Situation. “Die momentanen Anstrengungen der Verkehrsplanung sind kürzeste Stücke, meist aufgrund anderer Baumaßnahmen”, schreibt er in einer Mail an die Annenpost, “Das Netz wird mehr fragmentiert als geschlossen, trübe Aussichten.”
Landgraf nennt drei Forderungen an die Stadt Graz die einen Paradigmenwechsel in der Stadtplanung zeigen würden:

  1. Ein Radweg am Grieskai
  2. Ein Radweg am Opernring
  3. Radweg-Aufweitung des Kaiser-Franz-Josef Kai

Haben die Kritiker:innen Recht?

Untätig ist die Verkehrsplanung in dieser Hinsicht nicht. Der Radweg am Grieskai wurde 2023 angekündigt (siehe unten), ein Teil des Kaiser-Franz-Josef Kai wurde verwirklicht. Nach Gesprächen mit Stadtplanung und Durchsicht der abgeschlossenen Bauten wirken Teile der Kritik der Radlobby angebracht. Es scheint, als würden Radwege nur im Prozess anderer Baustellen berücksichtigt.

Der Radweg am Grieskai ist eine der ersten langen Strecken, die angekündigt wurden. Der 200 Meter lange Teil des 650 Meter langen Kaiser-Franz-Josef Kai, der von der Stadt Graz stolz präsentiert wird, ist im Vergleich dazu nur ein Bruchteil.

Back to 2022 – Was ist eigentlich passiert?

Von der Stadtregierung wurde im Rahmen der Radoffensive 2030 die Umsetzung von 19 Projekten in 2022 angekündigt, welche die Radinfrastruktur ausweiten sollen. Dafür wurden 10 Millionen Euro bereitgestellt. Die Finanzierung bezog auch das Annenviertel mit ein: Projekte, die sich beispielsweise von der Starhemberggasse bis zur Dreierschützengasse erstreckten, aber auch 400 Meter der Keplerstraße betrafen.

Vom angekündigten Plan für 2022 konnten laut der offiziellen Website der Stadt Graz zehn Projekte realisiert werden. Das Team der Stadtverkehrsplanung meint gegenüber der Annenpost, die Projekte würden von einigen Hürden begleitet. Diese ziehen die Umsetzung in die Länge.

Was passiert am Grieskai?

Der Grieskai ist schon länger ein Thema bei Grazer Rad-Interessierten. Schon seit 2020 setzt sich Argus dafür ein, diese Murseite mit einem Radweg auszustatten. Durch den Bau der Augartenbucht auf der anderen Seite der Mur wurde der dortige Radweg in die Mitte des Augartens verlegt. Dies sorgt immer wieder für Konflikte zwischen Radfahrern und Parkbesuchern. Eine Route über den Grieskai soll diesem Problem entgegenwirken und den Augarten entlasten. „Wir fordern eine Einbahnregelung stadtauswärts für KFZ-Verkehr. Dann bleibt genügend Raum für einen Radweg, auch ohne neue Flächenversiegelung“, schreibt Landgraf von Argus der Annenpost. Diese Forderung könnte 2023 zumindest teilweise erfüllt werden. Neben der Innenstadtentlastung kündigte die Vizebürgermeisterin auch diese Strecke im Pressegespräch am 13. Jänner an. Eine Lösung sei in Ausarbeitung und werde noch 2023 umgesetzt.

Wie wirkt sich die kommende Innenstadtentlastung auf Radwege aus?

Bei einem Pressegespräch am 13.01.2023 kündigte Vizebürgermeisterin Judith Schwentner den Baustart der lang ersehnten Innenstadtentlastung an. Diese sieht den Ausbau des Straßenbahnnetzes vor. Der Umbau wird genutzt, um die Radwege in der Neutorgasse und auf der Tegetthoffbrücke zu verbessern. Die Brücke wird beidseitig mit gemischten Rad- und Gehwegen ausgestattet, wobei der Nördliche bis zur Griesgasse geführt wird.

Karte der Innenstadtentlastung inklusive Radwege
Geh- und Radwege nach der kommenden Innenstadtentlastung – Bild: Stadt Graz

Wie sehr profitiert das Annenviertel?

In der Vergangenheit war die Stadt im Annenviertel nicht ganz untätig. Der Radweg der Alten Poststraße wurde saniert und auch in der Lastenstraße hat sich etwas getan. Doch die großen Projekte wie eine Verbindung vom Griesplatz nach Don Bosco oder ein durchgängiges Radnetz von der Lastenstraße bis zum Lazarettgürtel bleiben weiter aus. Auf Anfrage begründet Schwentner dies mit dem höheren Planungsaufwand, der in diesen Vierteln nötig sei. In der Vergangenheit habe die Stadtpolitik diese Seite vernachlässigt. “Wir haben bei der Radoffensive jedoch nicht auf den Westen vergessen”, bestätigt sie gegenüber der Annenpost.

Warum geht das alles so langsam?

Grund-Enteignungen von Anrainern, verlegte Leitungen, Barrierefreiheit, begrenzter Raum und auch die Jahreszeit verzögern die Umsetzung von baulichen Maßnahmen. “Es gibt Verfahren, die einzuhalten sind, und die können wir nicht beeinflussen”, erklärt Markus Kronheim, ein Verkehrsplaner der Stadt Graz.

Um die “Verkehrspyramide umdrehen” zu können, muss man Kompromisse eingehen. “Es fängt an, sich zu spießen. Wenn Radfahrer Vorrang haben, wird es mit Platz für öffentliche Verkehrsmittel und Autostraßen knapp”, sagt Kronheim., “Wir können nicht einfach alles umreißen.” Die Umsetzung sei ein langsamer Prozess, der vor allem mit kleineren Projekten vorangetrieben werden kann. Für große Projekte fehle laut dem Verkehrsplaner zudem das Budget: “Wenn wir das Radnetz so umsetzen wollen, wie wir uns das vorstellen, sind die 100 Millionen Budget der Radoffensive zu wenig.”

 

Titelbild: In einem Pressegespräch beschreibt Vizebürgermeisterin Judith Schwentner die Pläne für 2023 – Foto: Stadt Graz

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