Foto vom Kernteam des Lendwirbels
Das Kernteam vom Lendwirbel bei einer Besprechung - Foto: Hannah Klug

„Wir machen den Lendwirbel nicht – er entsteht“

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Ab dem 30. April verwandelt der Lendwirbel das rechte Murufer wieder für eine Woche in eine Kreativzone. Dieses Jahr findet der Wirbel bereits zum 17. Mal statt. Wie aus Chaos jedes Jahr Wunder entstehen.

Zehn Menschen sitzen im kleinen Kellerraum des Lendwirbel-Büros in der Mariahilfer Straße. Das Kernteam hält gerade eine Sprechstunde ab. Wie wild reden alle durcheinander und versuchen ihre Ideen einzubringen. Die Lautstärke geht dabei durch die Decke. Das eigene Wort kann man schon längst nicht mehr hören. Bloß als die Frage aufkommt, wer aus dem Kernteam überhaupt einen Plan hat, wird es totenstill. Plötzlich hat keiner mehr das Bedürfnis, sich zu äußern. „Gemeinsam haben wir alle einen halben Plan“, sagt eine Projektantin schließlich sichtlich amüsiert und erntet dafür zustimmendes Nicken.

Im ständigen Wandel

Es ist kein kleines Wunder, dass angesichts dieses Umstands jedes Jahr eines der vielfältigsten Feste der Stadt auch tatsächlich zustande kommt. Zirka 20.000 Besucher:innen zieht es jährlich im Mai zum Lendwirbel, der sich vom nördlichen Gries über den Mariahilferplatz Richtung Lendplatz und Volksgarten ausbreitet.

Um die Programmentwicklung zu unterstützen, laden die Mitglieder des Kernteams in regelmäßigen Abständen zu Netzwerktreffen ein. Je nachdem, wer das jeweilige Treffen organisiert, hat Einfluss auf den Ablauf, der Zweck bleibt aber derselbe: Veranstalter:innen können dort ihre Ideen präsentieren, sich austauschen und gegenseitig helfen. Das Kernteam selbst nimmt nur eine verbindende Rolle ein und kümmert sich um behördliche Angelegenheiten. Das Konzept hinter dem jährlichen Lendwirbel wird von den Menschen selbst kreiert und ausgearbeitet. „Wir machen den Lendwirbel ja nicht. Der Lendwirbel entsteht, weil Leute zusammenkommen“, betont das Kollektiv. Und genau darin liegt auch der Grund, dass in diesem Text eben auch vor allem dieses Kollektiv spricht, hinter das die vielen Ideengeber:innen zurücktreten.

Konrad Brettner veranstaltet bereits seit vielen Jahren Projekte beim Lendwirbel. Anfänglich ist er nur mit verschiedenen Bands aufgetreten, mittlerweile bringt er sich mit eigenen Projekten immer mehr ein. Dieses Jahr findet bereits zum dritten Mal sein Trommelworkshop statt, bei dem er den Besucher:innen die Angst vor dem Musizieren nehmen möchte. Die Netzwerktreffen sind für ihn, aber auch für seine Band, eine große Hilfestellung bei der Planung ihres Projektes. „Man wirft eine Frage auf beim Netzwerktreffen und dann ist schon am selben Abend jemand da, der einem helfen kann“, erklärte er der Annenpost.

Um die 200 Projekte sind für dieses Jahr geplant. Ein genaues Programm gibt es aber nicht, denn es kommen ständig neue Projektant:innen mit kreativen Ideen hinzu – auch noch während der Lendwirbel-Woche. „Man kann nichts vorprogrammieren. Es kann alles passieren“, sagt ein Kollektivmitglied. Egal ob Musikauftritte, Kunstausstellungen oder Reflexionsrunden, beim Lendwirbel wird versucht, jede Projektidee zu jeder Zeit unterzubringen. „Es hat in der Vergangenheit sehr selten ein Programm gegeben, es ist auch keines notwendig“, erklärt das Kollektiv und verweist dabei auf die freigeistigen Besucher:innen. Nicht nur die Projekte sind jedes Jahr unterschiedlich, auch das Kernteam des Lendwirbels ändert sich alle zwei bis drei Jahre komplett. Ein Wandel, den der Lendwirbel aber braucht, damit neue Strukturen aufgebaut werden können.

Keine klare Definition

Was genau der Lendwirbel ist, bleibt dabei unklar, auch für das Kernteam. Wenn es nach ihnen geht, kann man sich den Lendwirbel als eine Art Spielwiese vorstellen, wo man sich ausprobieren kann. Kein Projekt muss perfekt sein, auch das Tätigen einfacher Versuche ist erlaubt und sogar erwünscht. Bis auf wenige Einschränkungen sei alles gestattet und diese ergäben sich laut Kollektiv aus dem menschlichen Hausverstand. Das Fehlen einer deutlichen Definition scheint jedoch niemanden zu stören, da es den Lendwirbel umso vielfältiger macht. „Die einen sagen es ist Kultur, die anderen sagen es ist Party, die anderen sagen es ist Kunst und die letzten sagen es ist Diskurs, aber es ist einfach von allem ein bisschen was“, konkretisiert ein Mitglied des Kernteams.

Das Label „Kreativwirtschaft“ wurde dem Lendwirbel von der Stadt Graz schon früh umgehängt. Ein Begriff, mit dem sich das Kollektiv nicht identifizieren kann. Das steht schon im Manifest, das sich der Lendwirbel 2011 gegeben hat.  Mit “Industrie” will hier niemand was zu tun haben. Sehr wohl aber mit der “aktiven Teilhabe aller BürgerInnen an gestaltenden Prozessen”, wie es das Manifest formuliert. Besonders dem Vorurteil, dass der Bezirk 8020 auf der “schlechten” Murseite liegt, will der Wirbel entgegenwirken. Dafür nutzen die Wirbler den öffentlichen Raum und machen Lärm. „Man macht automatisch Wirbel, wenn man die Stimme erhebt, zur Gitarre greift oder einfach laut etwas rezitiert. Man hat dann die Aufmerksamkeit und muss sich diese nehmen“, verdeutlicht das Kernteam.

Titelbild: Das Kernteam vom Lendwirbel während einer Besprechung – Foto: Hannah Klug

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