Auf eine Brettljause ins Annenviertel

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Mit „Hildebrand 1888“ hat letztes Jahr der einzige Buschenschank im Grazer Zentrum eröffnet. Er bietet eine Mischung aus Kitzeck und Gries, Tradition und Nachhaltigkeit sowie Pulled Pork und Brettljause.

Geht man etwa drei Minuten zu Fuß vom Griesplatz zur Grenadiergasse 15, wartet inmitten der großen Wohngebäude ein rundum begrünter Eingang. Dahinter befindet sich alles, was es vom Gärungsprozess bis zur fertigen Flasche Wein braucht, von Abfüllanlagen bis Weinlager. So war es bereits, als die Familie Hildebrand das Unternehmen führte. Sie waren als Gründerzeitfamilie in Graz bekannt für ihre Glasfabrik in Bahnhofsnähe, ihre Liköre und Weine sowie das dazugehörige Geschäft in der Herrengasse. Die Hildebrands kamen 1888 nach Graz, daher auch der Name des heutigen Buschenschanks. Von ihnen übernahm in den 70er-Jahren die Familie von Helmut Müller das Weingeschäft.

Kitzeck trifft Graz

Müller übernahm nach dem BWL-Studium in Wien die Geschäfte seines Vaters und wurde Winzer. In Kitzeck im Sausal reifen die Trauben für den Wein, der in Gries verarbeitet wird und seit Juni 2022 auch hier verkostet werden kann. Da eröffnete Helmut mit seiner Lebensgefährtin Clara Nemet den Buschenschank. Freitags und samstags sind sie dafür in Graz und schmeißen den Laden zu zweit. Mit diesen Öffnungszeiten orientieren sie sich an vielen Buschenschänken in der Südsteiermark, weil mehr als zwei geöffnete Tage neben der schweren Arbeit am Weingut einfach unmöglich seien. Deshalb sei der Buschenschank aber auch eine schöne Abwechslung für die beiden. „Für mich ist das hier fast schon erholsam“, scherzt Helmut.

Er liegt recht versteckt und sticht dann doch ins Auge: Der grüne Eingang zum „Hildebrand 1888“ in der Grenadiergasse in Gries. – Foto: Marlies Lubi

Lokale Produkte und Rex-Gläser

Daneben motiviert sie auch der Sinn für Regionalität und Nachhaltigkeit. Letzteres zeigt sich einerseits im Weinbau, wo sie vermehrt auf sogenannte PIWI-Rebsorten setzen. Das sind Weine, die ohne den Einsatz von Pestiziden gemacht werden. Aber auch im Buschenschank möchten Helmut und Clara beispielsweise Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung setzen. Daraus sei dann die Idee mit den Rex-Gläsern entstanden. Nachdem sie in der Anfangszeit übrig gebliebene Speisen oft wegschmeißen mussten, servieren sie jetzt auch Eingerextes, vom Pulled Pork bis zum Schokoküchlein. Die Gläser werden dafür praktischerweise im Weinlager gekühlt aufbewahrt. Aber egal ob Pulled Pork oder Geselchtes, neben der Qualität komme es auch auf die Regionalität ihrer Produkte an. Steirisches Fleisch, Eier vom Lendplatz sowie Brot von Regula, einer der letzten traditionellen Familienbäckereien in Graz. Die Herkunft der Zutaten ist in der Speisekarte vermerkt. „Unsere Gesellschaft wird immer anonymer. Man sieht nicht das Gesicht, das hinter dem Produkt ist. Uns ist der persönliche Kontakt wichtig und dass die Leute auch die Anerkennung bekommen“, sagt Clara dazu.

Arbeit und Charme des Buschenschanks

Sie selbst stammt ursprünglich aus Brooklyn, hat Modedesign studiert und meint: „Ich trage das Dirndl aber auch wirklich gerne.“ Eine Köchin als Mutter und ein Handwerker als Vater habe sich als die perfekte Mischung für die Buschenschank-Gründung herausgestellt. Denn vor der Eröffnung war in den alten Räumlichkeiten noch einiges zu tun, von dem die beiden den Großteil selbst renoviert haben. „Die Tische habe ich auch selbst gemacht“, erzählt Helmut, „da sind mir ein paar Birnenbäume umgefallen, so Hundertjährige.“ Sie nutzen also, was da ist. Das spiegelt sich auch in der restlichen Einrichtung wider. Hier dienen Fundstücke vom Dachboden als Dekoration, von alten Fotografien mit Ochsenkarren bei der Weinlieferung bis zum Werkzeug für die Fassbindung aus Hildebrand-Zeiten. In Gries muss man auf einen typischen Gastgarten mit Blick auf Weinberge verzichten. Dafür bieten die urigen Räumlichkeiten in diesem Buschenschank ein kurzes Abtauchen aus der Stadt.

 

Titelbild: Clara Nemet und Helmut Müller in ihrem Buschenschank. – Foto: Marlies Lubi

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