Seit Wochen demonstrieren hunderttausende Menschen in Städten in Deutschland und Österreich gegen Rechtsextremismus. Diesen Samstag fand eine erste Großdemo in Graz statt.
Von: Lena Mittermayr, Rosa Girometta
Während es bei der letzten Demonstration gegen Rechtsextremismus in Wien in Strömen regnete, ist der Himmel über dem Europaplatz in Graz an diesem Samstag strahlend blau. Rund 2500 Menschen haben sich dort versammelt, um gemeinsam unter dem Motto „Demokratie verteidigen“ ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Organisiert wurde die Demo von dem spontan gegründeten „Solidarischen Bündnis für Menschenrechte und Demokratie“. Das Bündnis besteht aus mehr als 130 Vereinen, gemeinnützigen Organisationen und öffentlichen Unterstützer:innen. Amnesty International Graz ist ebenso dabei wie die Oper oder das Grazer Slam Kollektiv.
Rechter Wind in Europa
Das Bündnis sieht sich als solidarisch mit den Protesten gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Deutschland. Diese wurden durch die Enthüllung eines Geheimtreffens von rechtsextremen Akteur:innen Mitte Jänner in Potsdam ausgelöst. Dort trat unter anderem der ehemalige Chef der österreichischen Identitären, Martin Sellner, als Sprecher auf.
Nachdem das Medienhaus Correctiv ihre Recherchen zu diesem Treffen veröffentlichte, gingen in Deutschland bundesweit etwa eine Million Menschen auf die Straße. In Wien zählte man vergangenen Freitag 80.000 Menschen und auch in Innsbruck und Salzburg gab es bereits Demonstrationen. In Graz demonstrierten am Samstag nun mehrere Tausend Menschen, laut den Veranstalter:innen waren es etwa 10.000, laut einer Schätzung der APA bewegten sich 5000 Menschen auf der Route vom Hauptbahnhof bis zum Hauptplatz.
Mülltrennung, statt Menschentrennung
„Als Zivilgesellschaft ganz klar stark Kante zeigen ist wichtig“, betont Klima-Aktivistin Anja Windl kurz vor Beginn der Demonstration im Gespräch mit der Annenpost, denn „Faschismus und Klimakatastrophe gehen leider auch Hand in Hand“. Die vielen verschiedenen Redebeiträge zu Beginn am Europaplatz und am Ende am Hauptplatz zeigen, wie viele Lebensbereiche sich durch den Rechtsextremismus bedroht fühlen. So zeigte sich der Vorsitzende der RosaLila PantherInnen, Joe Niedermayer, ebenfalls besorgt um die Rechte und Sicherheit der LGBTQ-Community in Europa. “Rechtsextremes Gedankengut wird immer salonfähiger”, meint er in seiner Rede am Hauptplatz. Auch Politiker:innen wie unter anderem Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) oder die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ) waren vor Ort.
Im Vorfeld hatte das Bündnis gebeten, auf Parteisymbole, ”auf Fahnen und/oder nationale Symbole” zu verzichten. Daran hielten sich die Teilnehmer:innen weitgehend. Dafür wurde nicht an Kreativität bei den Schildern und Bannern gespart. “Solidarisch statt solide arisch”, “Hass ist krass, Liebe ist krasser” steht auf den Plakaten – oder schlichtweg ein durchgestrichenes Hakenkreuz. Die zu beobachtende Bandbreite der Teilnehmer:innen war enorm. Sowohl Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene als auch die ältere Generation mit den „Omas gegen Rechts“ waren zahlreich vertreten. “Alt sein heißt noch lange nicht stumm sein!”, konstatiert die Schriftführerin der Omas gegen Rechts bei ihrer Rede am Hauptplatz. Sie ermutigt die ältere Generation, sich ebenso gegen Rechtsextremismus stark zu machen. “Unsere Enkelkinder sollen uns später nicht fragen, warum wir nichts getan haben.” Drei Frauen übersetzen zudem jeden Redebeitrag in Gebärdensprache und ein eigenes Awareness-Team in lila Warnwesten sorgt dafür, dass sich niemand unwohl fühlt.
Der Dauerläufer Demokratie
Eine Brandmauer gegen Rassismus und Rechtsextremismus wünscht sich in seiner Rede Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe, Erwin Fenninger, weil ein menschenrechtsorientiertes Österreich “leiwand und richtig” ist. Ein Redebeitrag, der gemeinsam von einer Jüdin und einer Palästinenserin vorgetragen wurde, forderte Waffenruhe in Gaza und stellte sich solidarisch gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus.
„Demokratie ist kein Selbstläufer, sondern muss Tag für Tag verteidigt werden gegen die, die versuchen, sie zu zerstören“, sagt Roohullah Borhani vom Verein “Woman. Life. „Freedom“, der vor zwei Jahren vor den Taliban aus Afghanistan geflüchtet ist, auf der Bühne vor dem Rathaus. Seine Flucht damals war nicht nur eine vor den Taliban, sondern gleichzeitig auch eine „Flucht zu Demokratie und Hoffnung“, wie er sagt.
Laut Mitorganisatorin und Klima-Aktivistin Alena Zöch plant das Bündnis derweil noch keine weiteren konkreten Aktionen. Doch sie ist sich sicher, dass diese nicht lange auf sich warten lassen werden, wie sie der Annenpost nach Ende der Demonstration erzählt.
Titelbild: Für die Zukunft der nächsten Generation sind viele Eltern mit ihren Kindern unterwegs. – Foto: Helene Bauer