Bobby Rootveld und Sanna van Elst

Sounding Jerusalem: Musikalische Brücken gegen den Hass

Lesezeit: 3 Minuten

Sanfte Gitarrenklänge statt antisemitischer Parolen – am 20. November eröffneten Bobby Rootveld und Sanna van Elst das diesjährige Sounding Jerusalem Festival. 

 ,,Wir werden verfolgt und ihr schaut zu”, zitiert Bobby Rootveld einen Ausschnitt aus einem Gedicht über den Holocaust. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Sanna van Elst sitzt er in der kleinen Kapelle der Schutzengelkirche und eröffnet das diesjährige Sounding Jerusalem Festival in Eggenberg. Das erste Konzert des Festivals stand ganz im Zeichen des Lebens von Anne Frank. Die beiden vertonen die einzelnen Stationen ihres Lebens, tragen Gedichte vor, die von der Judenverfolgung handeln, und singen Lieder, die wahrscheinlich auch Anne Frank in ihrem Versteck in Amsterdam im Radio gehört hat. Bobby Rootveld betet auf der Bühne auch für die Opfer des Holocaust. 

Gewöhnlich findet das musikalische Friedensprojekt fern vom Annenviertel, in der Altstadt von Jerusalem, statt. Aufgrund der aktuellen Lage im Nahen Osten ist das dieses Jahr jedoch nicht möglich. Der Grazer Veranstalter und Musiker Erich O. Huetter beschloss deswegen kurzerhand, das Festival, das er vor 19 Jahren gegründet hatte, nach Graz zu verlegen. Bereits während der Corona-Pandemie fand das Festival einmal im Annenviertel statt. ,,Ich finde, auch energetisch gesehen ist es ganz wichtig, dass man die Sache fortsetzt, wenn es irgendwie geht”, meint Huetter. An ein Pausieren habe er nie gedacht. Die Idee eines musikalischen Dialogs zwischen israelischen und palästinensischen Künstler:innen sei jedoch in Zeiten des Krieges kaum umsetzbar. Huetter beschreibt es als eine Sache des Respekts: Es wäre momentan nicht angemessen, palästinensische Künstler:innen, die stark in ihrer Community verankert sind, mit Israelis gemeinsam auf die Bühne zu bringen. Ein solches  Zusammentreffen findet bei dem diesjährigen Festival  nur am 22. Dezember statt, wenn Marwan Abado aus Palästina mit Chen Zimbalista aus Israel spielt. 

Bobby Rootveld und Sanna van Elst während des Konzerts

                                                              Duo Nihz: Bobby Rootveld und Sanna van Elst. – Foto: Anna Fiala

Anne Frank- ein Leben in Musik 

Bobby Rootveld und Sanna van Elst, die als Duo Nihz auftreten, forschen unter anderem auch an im Konzentrationslager geschriebener Musik und spielen an diesem Abend beispielsweise das Lied ,,Wenn ein Paketchen kommt“ von Willy Rosen. Das Lied wurde im Kamp Westerbork komponiert und handelt von der Stimmung im Lager, wenn einer der Häftlinge ein Paket von außerhalb erhielt. In diesem Lager  war auch Anne Frank interniert, nachdem ihr Versteck aufgeflogen war. Das Durchzugslager Westerbork galt als “Portal zur Hölle” – Anne Frank wurde von dort erst nach Auschwitz, dann nach Bergen-Belsen gebracht, wo sie wahrscheinlich an Fleckfieber starb.

Bobby Rootveld betet für die Opfer des Holocaust

                                                              Bobby Rootveld betet für die Opfer des Holocaust. – Foto: Anna Fiala 

Zwischen Krieg und Antisemitismus 

Die aktuelle politische Situation schimmert während der Vorstellung immer wieder durch. Am Ende erzählt Rootveld, dass seine Familie seit 2019 verstärkt Staatsschutz in Deutschland braucht. „Für uns ist es sicherer in Tel Aviv als in Deutschland“, erzählt der Musiker. In Deutschland sei die Familie Teil einer Minderheit, während sie in Tel Aviv nicht auffällt. Rootveld träumt davon, mit seinem Sohn wieder auf der Straße Fußball spielen zu können. Anfang Dezember geht es für die Familie nach Israel. 

Auch in Österreich ist der Antisemitismus im ersten Halbjahr 2024 gestiegen. Vor Kurzem veröffentlichte die Israelische Kultusgemeinde Wien (IKG) aktuelle Zahlen. Im ersten Halbjahr 2024 gingen bei der IKG 808 Antisemitismusmeldungen ein. Das ist eine Zunahme von rund 160 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr des Vorjahres. Bei der Antidiskriminierungsstelle Graz wurden dieses Jahr (Stand 15.11.2024) 16 antisemitische Beschimpfungen und 239 Hasspostings mit antisemitischem Inhalt und Wiederbetätigung gemeldet. Doch Rootveld kennt nicht nur die eine Seite: „Ein Dorf, wo wir viel unterrichtet haben, ist ein arabisches Dorf. Dort landete vor einigen Wochen eine Rakete der Hisbollah. Es sind mehrere Menschen gestorben und jetzt ist der Kontakt sehr schwer wiederherzustellen.“ 

Das Sounding Jerusalem Festival versteht sich als kleiner Beitrag zum Friedensprozess im Nahen Osten. Bis einschließlich 22. Dezember finden noch drei Konzerte in der Schutzengelkirche statt. Das Festival endet mit dem gemeinsamen Auftreten des palästinensischen Künstlers Marwan Abado (Oud) und Chen Zimbalista (Percussions) aus Israel, die gemeinsam mit Huetter und weiteren Musikern eine “Mélange Oriental” anrichten – und damit ein Zeichen setzen wollen, dass ein friedlicher Brückenschlag zumindest musikalisch möglich ist.

Infobox
Tickets für die verbleibenden drei Konzerte findet ihr hier!

Titelbild: Duo Nihz nach Konzert in der Schutzengelkirche – Foto: Anna Fiala

 

Hey, ich heiße Anna und bin neu im Annenviertel! Da ich eigentlich aus dem östlichen Niederösterreich komme, gibt es für mich viel Neues in 8020 zu entdecken.

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