ANNsichtssache - gemeinsam die Zukunft der Annenstraße gestalten

Annenstraße: Totgeglaubte leben länger 

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Lesezeit: 3 Minuten

Schwerpunkt ANNsichtssache. Die Kika-Leiner-Pleite hat wieder einmal die Sorge wachsen lassen, die Annenstraße könne „sterben”. Die Annenpost hat sich die aktuelle Situation genau angeschaut und von den Bewohner:innen der Straße Überraschendes erfahren. 

Ein bunter Mix aus Stimmen in unterschiedlichsten Sprachen liegt in der Luft, wenn man die Annenstraße entlangspaziert und sich im Flanieren verliert. Der Klang der Gespräche vereint sich zu einer lebendigen Melodie, die die kulturelle Vielfalt dieser Straße zum Ausdruck bringt. 

Seit den 1970er-Jahren hat die Annenstraße als wichtigste Verbindungsachse des Zentrums zum Bahnhof und in den Westen der Stadt ihren Charakter ebenso verändert wie das ganze Viertel. Von den früheren Traditionsmarken, den Hifi-, Bekleidungs- und Hutgeschäften ist kaum etwas übrig, einiges hat sich in neuer Form erhalten. Das Café Eisvogel ist verschwunden, das Café Wolf hingegen, einst die erste Espressobar der Stadt, ist heute ein angesagter Musikclub, das Annenhof-Kino hält als „Cineplexx“ die Stellung, aus „Forum“ und „Konsum“ wurde längst das Styria Center

Straße im Wandel

Der ständige Wandel gehört – samt Fort- und Rückschritten – zur langen Geschichte der Straße, die gerne als „prächtige Einkaufsmeile” erinnert wird – auch wenn sie das nie war. So hat etwa die Annenpassage den Umbau der Straße 2012 nicht überlebt. Zuletzt haben die Kika-Leiner-Pleite und der Umzug von Deichmann Sorgen wachsen lassen, die Straße könne veröden. Diese Sorgen sind nicht neu. Auch als der SEWA-Billigladen aus dem Roseggerhaus auszog, stellten Medien die Frage, wie sich die Straße „wiederbeleben” ließe. Dabei waren die Ängste von ihrem bevorstehenden „Tod” verfrüht, 2020 zog das Unternehmen niceshops.com ein.

Die Annenpost hat sich die Leerstandssituation genau angeschaut und eine im Vergleich zu ähnlichen Erhebungen in den Vorjahren (2018, 2016, 2014) ziemlich unveränderte Entwicklung festgestellt. Die Zählung von Ende November 2024 ergab 17 leerstehende Geschäftslokale in der Erdgeschoßzone, dazu vier Automatenlokale sowie zwei Zwischennutzungen am Roseggerhaus. Eine zeitgleich durchgeführte Branchenanalyse unter den 142 Geschäften der Annenstraße zeigte andererseits einen überaus bunten Mix. Neben 23 Mode- und Beautygeschäften, 16 Gastronomiebetrieben und 11 Lebensmittelshops gibt es darüber hinaus ein breites Angebot an Betrieben im Gesundheits- und Fitnessbereich, mit Technikfokus sowie verschiedene Sozialvereinen.

Branchenmix, eine Grafik
Der Branchenmix in der Annenstraße. – Grafik: Vasily Muravyev, Melanie Spieler.

Warum Lokale leer stehen

Die Gründe, warum Leerstände entstehen, sind nicht immer durchsichtig oder aufklärbar. Oft spielt seitens der Eigentümer:innen die Finanzierung eine wesentliche Rolle: Vor einer Neuvermietung müssten viele Räume renoviert werden, um den Bauordnungs-Standards zu entsprechen, sagte Fabian Wallmüller von der IG Architektur zuletzt im Standard. Gebäude, die sich auf dem Markt befinden, müssen die gleichen Voraussetzungen erfüllen wie Neubauten und dies kann sich als äußerst kostenintensiv herausstellen.

Um die Anzahl der Leerstände, aber auch von Zweitwohnsitzen, zu verringern, beschloss der Landtag 2022 das Steiermärkische Zweitwohnsitz- und Wohnungsleerstandsabgabegesetz (StZWAG). Demnach dürfen Gemeinden selbst über die Einführung einer Leerstandsabgabe entscheiden. Die Stadt Graz will eine solche zwar einführen, aber aufgrund fehlender Daten im Adress-, Gebäude- und Wohnungsregister (AGWR) ist erst ein sehr kleiner Prozentsatz aller Grazer Gebäude vollständig erfasst. Von den insgesamt circa 63.000 Gebäuden im Grazer Stadtgebiet sind im Register nur 45.000 verzeichnet – und diese Einträge sind äußerst lückenhaft. Somit wäre die Einhebung einer Leerstandsabgabe in Graz derzeit nicht formal korrekt möglich. 

Was sich Bewohner:innen wünschen

Die Annenpost hat im Zuge der Ausstellung „ANNsichtssache”, kuratiert vom FH-Masterstudiengang Ausstellungsdesign, eine Reihe von Interviews geführt, um mehr über die Wünsche und Sichtweisen der Eigentümer:innen und Angestellten einiger Geschäfte in der Annenstraße herauszufinden. In den Interviews haben die Bewohner:innen ihre Sorgen über die ungewisse Entwicklung der Annenstraße mitgeteilt, aber auch von ihrer Begeisterung für die kulturelle Diversität, die angenehme Atmosphäre und die Nachbarschaft erzählt. Was die Verkehrssituation angeht, sind die Meinungen geteilt. Während sich manche mehr Parkplätze wünschen, träumen andere von einer Fußgängerzone.

Für die Ausstellung haben wir Gespräche mit Markus Wohlkönig vom Skulture Skateshop, mit Joe Niedermayer von den RosaLila Pantherinnen, mit Amet Farmah vom Farmah’s Indien Supermarkt, Mohammad Hosseini vom SADAT Imbiss, Firat Akinci vom MGE’s Barbershop, Gottfried Nusshold vom Annen Cafe / Annenbäckerei und Sabine Reininghaus von der Detektei Correcta geführt. Die Interviews sind unter diesem Link zu finden. 

“Infobox“

Die Ausstellung ANNsichtssache, kuratiert vom Masterstudiengang Ausstellungsdesign, setzt sich mit dem Potenzial und der Vielfalt der Annenstraße auseinander und präsentiert innovative Ideen und Visionen einer lebendigen Zukunft. 

Die Annenpost hat sich in diesem Rahmen auf den Weg gemacht und einen Blick hinter die Fassaden der Einkaufsmeile geworfen. Wir haben mit Menschen aus sieben verschiedenen Geschäften gesprochen und ihre Geschichten festgehalten. Die Interviews werden in der Annenpost veröffentlicht und ausgewählte Fragen sind an einer Hörstation in der Ausstellung zu hören. 

Hier geht es zu den weiteren Folgen des Schwerpunkts.

Ausstellung ANNsichtssache
Eröffnung: 22. Jänner 2025, 19:00 Uhr
Wann: 23. bis 30. Jänner 2025
Wo: Annenviertler Büro zur Rettung der Welt, Annenstraße 20, 8020 Graz

  

 Titelbild: Das Büro zur Rettung der Welt mit dem Titel der Ausstellung „ANNsichtssache“. – Foto: FH JOANNEUM Studiengang Ausstellungsdesign.

 

 

 

2006 in Graz geboren, besuchte ich 12 Jahre lang das PG Ursulinen. Aufgrund meiner Begeisterung für die Medienwelt entschied ich mich, das Studium "Journalismus und PR" zu belegen.

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