Eine Menge Porträts von Viertelbewohner:innen im Schaufenster des Büros zur Rettung der Welt.

„Annenviertelgesichter“: Die Annenstraße als riesige Tupperware-Party?

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Lesezeit: 3 Minuten

Von einer lebendigen Flaniermeile zur Straße der Leerstände – so sehen viele die Entwicklung der Annenstraße in Graz. Aber was wünschen sich die Bewohner:innen und Besucher:innen, um die Straße wieder mit Leben zu füllen? Zwei Fotografinnen haben Menschen vor Ort fotografiert – und überraschende Vorschläge gesammelt.

Es gibt viele Leerstände in der Annenstraße. Aber inmitten der Läden mit geschlossenen Rollläden und leeren Auslagen tut sich an einem Ort etwas – zwei Fotografinnen und ihrem Projekt  „Annenviertelgesichter” sei Dank. Die eine ist in Graz aufgewachsen und vor Kurzem in die steirische Landeshauptstadt zurückgekehrt: Corinna Micori. Neben der Fotografie ist die Neu-alt-Grazerin auch als Web- und Printdesignerin sowie als Künstlerin tätig. Ihre Projektpartnerin, die Fotografin Anna Schwarz, pendelt zwischen Berlin und Graz. Im „Büro zur Rettung der Welt“, einem Open-Space-Ort für kreative Projekte, zeigen sie ihre Gesichter des Annenviertels. Aber nicht nur das, denn neben Fotoporträts von Bewohner:innen und Besucher:innen finden sich auch deren Ideen und Vorschläge für die Zukunft der Potenzialstraße.

Für Corinna und Anna war es eine logische Entscheidung, sich dorthin zu orientieren, wo ihre Arbeit kreativ wachsen konnte. „Ursprünglich sollte das Projekt im Neutorviertel umgesetzt werden”, erzählt die Grazerin Corinna, die erst vor Kurzem wieder hergezogen ist. „Aber die Wahl fiel dann doch auf die Annenstraße, weil das ,Büro zur Rettung der Welt’ als unterstützender Kreativraum zur Verfügung stand und dort ein lebendiger Austausch stattfinden kann.“

Ein analoger Prozess für eine digitale Zeit

Fotografiert wird direkt auf Fotopapier – mit einer Großformatkamera. Eine selten genutzte Technik, die von den beiden Fotografinnen bewusst gewählt wurde. „Das ist ein langsamer, bewusster Prozess. Dabei tauscht man sich so ganz nebenher mit den Menschen aus“, erklärt die zwischen Graz und Berlin pendelnde Anna. Beim Fotografieren mit einer Großformatkamera wird lichtempfindliches Fotopapier direkt in die Kamera eingelegt. Die gesamte Aufnahme erfordert somit viel Präzision und Zeit, da das Motiv für ein paar Sekunden stillhalten muss. Anschließend wird das entstandene Bild in der Dunkelkammer entwickelt.

Die Porträts der Bewohner:innen und Besucher:innen der Annenstraße erzählen Geschichten und sind Teil einer sogenannten „SilentDemo“: Die Menschen halten ihre Botschaften oder Wünsche für das Viertel auf Kartons in die Kamera, die Bilder werden anschließend im Schaufenster des „Büros zur Rettung der Welt“ ausgestellt. Auf Instagram ergänzen kurze Videos die Porträts, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, ausführlicher über ihre Wünsche zu sprechen.

Corinna, die Fotografin, steht hinter einer Großformatkamera und richtet das Objektiv auf eine Person, die sie fotografieren möchte. Die Kamera ist auf einem Stativ montiert und das Setting wirkt mit der Belichtung professionell.
Corinna Micori beim Fotografieren mit einer Großformatkamera. – Foto: Anna Schwarz

Vielfalt im Annenviertel

Diese Wünsche sind vielfältig: Mehr Raum für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen, aber auch Parkplätze für Autos. Viele sehnen sich ein Ende der Leerstände herbei. Andere betonen, dass die kulturelle Diversität der Annenstraße – mit ihren zahlreichen orientalischen Geschäften, Lebensmittelläden und Cafés – eine Bereicherung darstellt. „Wir hören oft, dass man ein Miteinander statt ein Nebeneinander haben will“, sagt Anna. „Ein Vorschlag einer Teilnehmerin war beispielsweise, eine große Tafel entlang der Straße zu errichten, bei der jede Kultur eine Spezialität anbietet – eine riesige Tupperware-Party, wo sich die Menschen begegnen können.“

Finanziert wird das Projekt vor allem durch die beiden Initiatorinnen selbst, ergänzt durch die Unterstützung des „Büros zur Rettung der Welt“ und des Vereins „Druckzeug“, der Materialien zur Verfügung stellt. Der nächste Schritt ist es, das Projekt am Laufen zu halten und regelmäßig stattfinden zu lassen.

„Die Annenstraße war früher eine Prachtstraße und Flaniermeile,“ sagt Corinna. Die beiden Fotografinnen träumen – wie so viele – von einer Renaissance dieser einst so lebendigen Straße: „Es wäre toll, wenn hier kleine Läden, Ateliers und kreative Workspaces entstehen könnten – ähnlich wie im Lendviertel”, sagt Corinna. Und sie hat auch konkrete Forderungen: „Weg mit dem Großen, her mit dem Kleinen. Warum sollen Flächen ungenutzt bleiben? Macht die Mieten niedriger und schafft Raum für Kreativität!“

Das fertige Bild kann nun weiter kreativ gestaltet werden.
Kreative Gestaltungsmöglichkeiten – Foto: Anna Schwarz

 

Titelbild: Ausgestellte Bilder im Schaufenster des „Büros zur Rettung der Welt“. – Foto: Anna Schwarz

2005 erblickte ich im wunderschönen Südtirol das Licht der Welt. Seither habe ich meinen Bildungs- und Schulweg in Brixen zurückgelegt und letztes Jahr am Sozialwissenschaftlichen Gymnasium maturiert. Meine Begeisterung für den Journalismus verschärfte sich durch diverse Praktika bei lokalen Radiosendern. Als angehender Journalist studiere ich nun Journalismus und PR an der FH Joanneum in Graz.

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