Collage von Aufnahmen aus der Notschlafstelle St. Lukas - Buffet, Lagerraum, Matratzenlager

Notschlafstellen zählten im Jänner mehr Gäste als sonst

Lesezeit: 4 Minuten

1026 Nächtigungen zählte die Winternotschlafstelle St. Lukas der Caritas im Jänner, dem kältesten Monat des Jahres. Im Vergleich zu den Vorjahren ist das eine deutlich höhere Nachfrage. Nur Zufall oder eine besorgniserregende Entwicklung? 

Es ist ein kühler dunkler Abend. Auf der in den Keller hinab führenden Stiege eines gelben Hauses am Eggenberger Gürtel reihen sich Menschen aneinander. Sie warten. Es sind mehrere frierende Frauen und Männer. Viele haben etwas Gepäck dabei. Sie stehen vor der noch verschlossenen Tür der Winternotschlafstelle St. Lukas der Caritas am Eggenberger Gürtel 76.

Um 18:00 Uhr öffnen Sozialarbeiter:innen die Türen. Für die Wartenden heißt das: Weg von der Straße, rein in die Wärme. Sie suchen einen Platz für diese Nacht. Würden sie bei Minusgraden und mit schlechtem Equipment  draußen übernachten, würden sie womöglich erfrieren. 

Ein sicherer Schlafplatz 

Um Menschen einen sicheren Schlafplatz gewähren zu können, arbeiten die Caritas, die VinziWerke und die Stadt Graz zusammen. Zu ihrem Angebot zählen neben dem Kältetelefon permanente Notschlafstellen und temporäre Winternotschlafstellen – so wie das St. Lukas der Caritas am Eggenberger Gürtel 76. Es bietet von Anfang November bis ins Frühjahr seinen Dienst an. Das Kältetelefon ist organisatorisch an diese Einrichtung gekoppelt und vermittelt beispielsweise „Schlafplätze, Verpflegungs- oder Materialpakete”, erklärt Laura Duda, die in der Winternotschlafstelle St. Lukas arbeitet.

Wer sind die Menschen, die Hilfe in der Notschlafstelle suchen? Es sind größtenteils Männer, sagt Laura Duda. So waren im Jänner 2025 von insgesamt 84 Personen 20 weiblich, und 64 männlich. Das hat zur Folge, dass auch mehr Betten in den Schlafsälen für Männer reserviert sind. Insgesamt bietet die Einrichtung 26 Männern und 10 Frauen ein Bett. Bei Engpässen „legen wir auch mal eine zusätzliche Matratze auf den Gang. Praktisch eine Notschlafstelle in der Notschlafstelle”, meint Duda. Viele der Besucher:innen sind obdach- oder wohnungslos. Manche wurden frisch aus der Haft entlassen oder haben ein polizeiliches Annäherungsverbot, andere können steigende Mietkosten nicht mehr bezahlen oder sind psychisch krank.

„Zur Notschlafstelle kommen auch Leute, die aus anderen Einrichtungen rausgeworfen wurden, weil sie sich nicht richtig benommen haben. Das sind auch Menschen, die dann mal handgreiflich werden. Unser Personal ist dahingehend aber professionell ausgebildet”, erzählt Duda und ergänzt: “Generell verbringen die Menschen ja auch nur die Nacht bei uns. Was sie am Tag machen, oder was da passiert, darauf haben wir keinen Einfluss. Konflikte wurden das ein oder andere Mal aber schon mit in die Einrichtung gebracht.” Für das bestehende Gewaltrisiko sind die Sozialarbeiter:innen also geschult. Generell sind Notschlafstellen Einrichtungen, die den Menschen im Moment helfen. „Für größere Probleme leiten wir die Menschen an andere Stellen weiter.“ Die Notschlafstelle fungiert damit zusätzlich und immer häufiger auch als Vermittlerin. 

Laura Duda sitzt an ihrem Arbeitsplatz am Empfangsbereich der Winternotschlafstelle
Laura Duda am Arbeitsplatz. – Foto: Stefanie Groß

Steigende Zahlen

Denn es scheint immer mehr Menschen zu geben, die aus unterschiedlichen Gründen in der Obdachlosigkeit landen. Im Winter 2023/24 gab es laut Caritas Steiermark über 4.300 Nächtigungen. Im Vergleich zu 2022/23 ist die Zahl damit um 1.300 gestiegen – das ist mehr als ein Drittel. Laura Duda und ihre Kolleg:innen beobachten diesen Trend auch diese Saison: „Spannenderweise war derJänner extrem ausgelastet. Sonst haben wir nur festgestellt, dass es im Dezember immer sehr voll ist und dann aber stark nachlässt.” Das ist heuer anders, denn die Zahl von insgesamt 1.026 Nächtigungen übersteigt die der Vorjahre. Im Jänner 2025 haben durchschnittlich 33 Personen täglich in der Schlafstelle St. Lukas die Nacht verbracht.

Auch andere Notunterkünfte haben diesen Trend wahrgenommen. „Nach Erfahrungen war der Jänner bisher ein eher ruhiger Monat. Die stärksten Monate in den Notschlafstellen der Caritas waren traditionell Oktober und April”, weiß Irmgard Rieger von der Caritas Steiermark und erklärt das „mit einem Saisonende, dem Quartalswechsel und immer kälteren Temperaturen im Oktober”. Heuer allerdings war die Nachfrage im Jänner „in allen Caritas-Notschlafstellen konstant hoch”. Laut Rieger gibt es für die Veränderungen mehrere Ursachen. „Allgemein trägt die Summe der Teuerungen in den vergangenen Jahren und die gestiegenen Lebenshaltungs- und Wohnkosten, zu der gestiegenen Obdachlosigkeit und der damit verbundenen Nachfrage an Kapazitäten in Notschlafstellen bei”. „Zudem beobachten wir, dass die Zahl der Personen mit psychischen Problemen, die in Notschlafstellen Hilfe suchen, zunimmt.” Auf Nachfrage der Annenpost haben die VinziWerke das ebenfalls bestätigt.

Das Buffet ist angerichtet und der Speisesaal bereit für die Gäste des Abends
Das Buffet ist vorbereitet, die Gäste können kommen. – Foto: Laura Duda

Hausordnung für eine Nacht

Wie wird nun konkret in Notschlafstellen geholfen? Um 17:30 Uhr startet die Frühschicht, die Mitarbeitenden bereiten gemeinsam mit ehrenamtlichen Helfer:innen des Kältetelefons Essen zu: Jause, Suppe oder Eintopf und Tee, alles Spenden des Marienstüberls. Um 18 Uhr dürfen die Gäste herein, müssen zuvor aber eine Schleuse passieren: Ausweisdokumente werden kontrolliert, etwaiger Alkohol oder Drogen abgegeben. Aber nur bis zum nächsten Morgen. „Es geht darum, dass die Hausordnung eingehalten wird. Also kein Alkohol, keine Drogen, Rauchen nur im Raucherkammerl und natürlich keine Gewalt”, so Duda. Und „für alle, die am Vortag schon mal eingecheckt haben, ist ein Bett bis 20 Uhr reserviert”. Um 22:00 Uhr ist endgültiger Einlass-Stopp. „Wer noch nicht drin ist, kommt auch nicht mehr rein”. Am nächsten Morgen wird schon recht früh geweckt, denn „nach dem Frühstück müssen die Nächtigungsgäste die Einrichtung bis 7:30 Uhr verlassen haben. Sie ziehen dann häufig in andere Einrichtungen wie das Marienstüberl oder das Tageszentrum am Bahnhof weiter”, so Duda.

Auf die Frage, ob Duda und das Team auch ab und zu Dankbarkeit der Gäste spüren, meint sie: „Sehr viele sind so mit sich selbst und ihren eigenen Problemen beschäftigt, dass die Kapazität für irgendetwas anderes fehlt. Wir sind froh darüber, wenn wir kleine Entwicklungen sehen, dass die Gäste besser zurechtkommen und nicht mehr andauernd anecken.”

 

Titelbild: Von Buffet bis Lagerraum; eine Collage von Aufnahmen in der Winternotschlafstelle St. Lukas. – Fotos: Laura Duda & Stefanie Groß

Hallo, ich bin die Steffi (she/her), 21 Jahre alt und lebe - seitdem ich Journalismus & PR an der FH Joanneum studiere - in Graz.
Meine Interessen sind sehr breit gefächert. Feminismus, Gleichberechtigung, Sport & Gesundheit, Reisen & Kultur, Diversity, Natur, Forstwirtschaft, ...
Es gibt wenig, dass mich so gar nicht interessiert.

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