Irmie und Reinfried Horn sitzend vor ihrem Kunstgarten

Grüner Raum für Kunst und Kultur: 20 Jahre „kunstGarten” in Gries

Lesezeit: 5 Minuten

Irmi und Reinfrid Horn führen mit ihrem „kunstGarten” seit mehr als zwei Jahrzehnten einen lebendigen Ort der Kunst und Gartenkultur in der Payer-Weyprecht-Straße. Für die Annenpost lassen die beiden 20 Jahre Geschichte anhand von sechs ausgewählten Kunstwerken Revue passieren, die ihnen besonders am Herzen liegen.

Von: Andreas Jell, Maximilian Reichmann

Ihr ganzes Leben schon begeistern sich Irmi und Reinfrid Horn für Kunst und Kultur. Auch wenn beide ein Lehramtsstudium für Volksschulen absolvierten, verschlug es sie doch schnell in eine andere Richtung. So war Irmi als Schauspielerin an verschiedenen Theatern beschäftigt und war bei Ernst M. Binders forum stadtpark theater als Co-Leiterin tätig. Nach dem Ableben ihrer Großmutter 1981 bezog sie mit ihrer Familie das Haus in der Payer-Weyprecht Straße 27, in dem sie heute noch mit ihrem Mann lebt. 

Mit seinen 1300 Quadratmetern bot der dazugehörige Garten von Anfang an die Möglichkeit, ein Projekt ins Leben zu rufen, das zeitgenössische Kunst fördert. „Gartenkunst sowie Kunst und Kultur generell werden im fünften Grazer Stadtbezirk vernachlässigt, obwohl es einen wichtigen Beitrag zum Leben in einer Gesellschaft leisten kann”, meint Irmi Horn im Gespräch.

Am 22. Juni 2003 trafen sich die Gründungsmitglieder des Vereins erstmals und legten die Vereinsstatuten fest. Auf deren Grundlage wurde ein Programm für die erste Ausstellung zusammengestellt. Außerdem richtete der Verein eine frei zugängliche Bibliothek ein und gestaltete den Garten um. Schließlich eröffnete der kunstGarten am 17. Juni 2004 mit der Ausstellung ART&ROSES. Am Programm standen eine Lesung der Autorin Barbara Frischmuth, Musik und die Präsentation erster Skulpturen im Garten. 

In den folgenden 20 Jahren entsteht im kunstGarten ein vielseitiges Angebot, mit dem Ziel, Besucher:innen zu inspirieren und den Austausch zwischen Kunst, Kultur und Gesellschaft auf lebendige Weise anzuregen. Neben den Ausstellungen bietet er auch Filmvorführungen im gemütlichen Zimmerkino sowie eine gut bestückte Bibliothek. Irmi und Reinfrid haben über die Jahre eine Fülle an Erlebnissen und Erinnerungen angesammelt, die sie der Annenpost anhand von sechs Objekten erzählen.

Skulptur eines Männchen mit einem Fernrohr, der im Garten sitzt
Figur aus der Reihe Statt Menschen” von Erwin Schwentner. – Foto: Maximilian Reichmann

Der Garten als Trojanisches Pferd”

Zeuge der ersten Stunde ist eine Figur aus der Reihe Statt Menschen des Grazer Künstlers Erwin Schwentner, die somit auch das älteste erhaltene Kunstwerk im Garten ist. Typisch für den Stil des ehemaligen Richters stellt die Figur menschliche Eigenschaften und Schwächen humoristisch dar und soll dabei Besucher:innen zum Nachdenken anregen. Wenn sie zwischen den Blättern denn überhaupt sichtbar ist. „Das Erlebnis im kunstGarten hängt nicht nur von den ausgestellten Werken ab, sondern auch von der Jahreszeit“. „Im Frühling und Sommer, wenn alles blüht, verschwinden viele Kunstwerke“, erzählt Reinfrid. Genau deshalb bezeichnet sie den Garten als ein „Trojanisches Pferd” – denn die wild wuchernden Pflanzen verdecken die Skulpturen nach und nach, bis sie scheinbar mit der Natur verschmelzen und erst auf den zweiten Blick wieder zum Vorschein kommen.

Vergittertes Ziegelhaus mit Gegenständen aus der Landwirtschaft in sich.
Schrein“ von Ingeborg Strobl. – Foto: Maximilian Reichmann

Gefangene Lasten

Zu jeder Jahreszeit gut sichtbar ist hingegen ein kleines, vergittertes Ziegelhäuschen. Wie in einer Zelle eingesperrt, befinden sich darin altertümliche Arbeitsgeräte aus der Landwirtschaft. Ingeborg Strobl, die in ländlichen Verhältnissen in Schladming aufwuchs, steuerte 2012 das Kunstwerk mit dem Titel Schrein dem kunstGarten bei. „Es ist ein Denkmal für ihre Tante Rosa und alle Frauen, die unter dem Patriarchat zur Pflege und Betreuung der Eltern und des Hofes verpflichtet wurden.“ Die eingesperrten Flechtkörbe und die Mistgabel sollen Freiheitsentzug und klassische Rollenverteilungen darstellen. „Durch diese Verpflichtungen wurde ihnen das Recht auf Heirat und eine eigene Familie vorenthalten”, erklärt Irmi. Es ist ihr wichtig, im Kunstgarten mehr Werke weiblicher Künstlerinnen auszustellen.

Bunte Schlange aus Plastikrohren um einen Baum gewickelt.
Schlange der Versuchung“ von Swaantje Güntzel. – Foto: Maximilian Reichmann

Kritik in grellen Farben

Mit seinen grellen Farben sticht die Arbeit Urban Wild stark hervor, die im Zuge der Ausstellung Dialoge: urban wild/ Frauenkörper im Jahr 2010 in den kunstGarten gekommen ist. Sie stammt von der Hamburger Künstlerin Swaantje Güntzel, die sich mit ihren Werken vor allem mit heuchlerischen Wertvorstellungen und der Ausbeutung der Umwelt zugunsten wirtschaftlichen Profits auseinandersetze, erzählt Irmi Horn. Bewusst verpackt sie ihre „unschöne” Kritik in visuell ästhetische Exponate, um so einen bewusst harten Kontrast zu erzeugen. Das Werk wird von ihr auch als „Die Schlange der Versuchung” vorgestellt. Diese besteht aus zusammengebauten Plastikrohren, wie sie in Hamsterkäfigen verbaut sind, und schmiegt sich eng um einen Baum. Der Kunststoff steht hier als Verlockung einer scheinbar einfachen Lösung. Plastik ist praktisch auf kurze Zeit, aber macht alles hin auf lang“, sagt Irmi. Und weiter: Wir sind ja nicht die Letzten, die auf dieser Erde wohnen.”

Zwei aus Draht geformte Arme, die sich um eine Pflanze legen.
Umarmung“ von Roosvita Indirasari. – Foto: Maximilian Reichmann

Zwischen Nähe und Enge

Irmi und Reinfrid Horn bieten Künstler:innen von Nah und Fern einen Ort, um ihre Werke auszustellen. Zur Ausstellung UMARMUNGEN. Formen der Zärtlichkeit oder der Unterwerfung im Herbst des Vorjahres, hat die indonesischen Künstlerin Karina Roosvita Indirasari, eine Installation beigesteuert. Zwei aus Draht geformte Arme, umhüllt von kariertem Stoff und mit Harz überzogen, legen sich um eine Pflanze. Das Zusammenspiel von organischem Wachstum und starrer Form lässt verschiedene Interpretationen zu – von Schutz bis zur Einengung. „Eine Umarmung kann etwas Schönes, in anderen Fällen aber auch bedrängend oder einengend sein”, meint die 79-jährige und vergleicht es mit einem Korsett.

Goldene Hörner, die aus der Erde ragen
„In die Erde hineinhören“ von Gertrude Mooser Wagner. – Foto: Maximilian Reichmann

Hören, was die Erde sagt

Die steirische Künstlerin Gertrude Mooser Wagner verweist mit ihrem Exponat In die Erde hineinhören auf ein weiteres Thema, das den Horns wichtig ist: die fortschreitende Bodenversiegelung in unserem Land. „Wir alle müssen der Natur viel mehr Gehör schenken”, meint Irmi. Der Mensch nutze über Monokulturen den „Bauch der Erde” viel zu intensiv. Ihre Natur- und Umweltverbundenheit spiegelt sich sehr stark im Garten wider. „Wir Menschen selber sind auch nur Natur”, sagt Irmi. Die Installation war 2021 im Rahmen der Ausstellung  ATEM HOLEN. Hineinhören zu sehen, die sich mit Erwartungen, Hoffnungen und Beziehung der Menschen zu ihrer Mitwelt beschäftigt hat.

Orangener Baum in Form der Fibonacci-Folge
„Pythagorasbaum“ von Hartmut Skerbisch. – Foto: Maximilian Reichmann

Der Pythagorasbaum

Hartmut Skerbisch ist wahrscheinlich der bekannteste Künstler, der im Garten vertreten ist. Sein Werk, der Pythagorasbaum, ist mit Abstand das größte Objekt. Es basiert auf dem Satz des Pythagoras und der Fibonacci-Folge, daher der Name. Die Fibonacci-Folge ist eine Zahlenreihe, bei der jede Zahl die Summe der beiden vorhergehenden Zahlen ist und wird in der Kunst als Methode angewandt, um ästhetisch ansprechende Muster oder Formen zu kreieren. Skerbisch war ein guter Freund der Familie Horn, seine Exponate haben einen besonderen Stellenwert im Garten und bleiben voraussichtlich auch in Zukunft ausgestellt. 

Andere Exponate müssen dagegen weichen, da der kunstGarten wie jeder Garten durch die Jahreszeiten einen Zyklus der Erneuerungen durchläuft. Der Andrang von Künstler:innen, die ihre Werke auch gerne ausstellen wollen, sei nicht gerade gering. „Wir müssen eher Leute von unserer Liste streichen”, erzählt Irmi. Die Zukunft kann jedenfalls kommen, Irmi arbeitet bereits an Projekten und Ausstellungen für die Jahre 2026 bis 2028.

 

Titelbild: Irmi und Reinfrid Horn vor ihrem kunstGarten. – Foto: Maximilian Reichmann

Geboren und aufgewachsen im Süden Kärntens. Jetzt in Graz, wo ich Journalismus und PR an der FH JOANNEUM studiere und für die Annenpost schreibe. Besonders begeistert mich der Sport, Politik und alles, was im Annenviertel passiert – und darüber zu berichten.

1 Comment

  1. Danke, das hast du / habt ihr super gemacht: Grüner Raum für Kunst und Kultur: 20 Jahre „kunstGarten” in Gries
    von Maximilian Reichmann
    17. April 2025 KULTUR Lesezeit: 5 Minuten
    Herzlich Irmi & Reinfrid

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