Einst das Liebkind, inzwischen das Sorgenkind in Sachen Shopping – die Annenpassage. Vor fünf Jahren war noch alles eitel Wonne, doch dann gab es binnen kürzester Zeit Auszüge, Baustellen und andere Rückschläge. Inzwischen steht etwa die Hälfte der Geschäfte leer, doch jetzt soll alles anders werden.
Früher fuhr man die Rolltreppe von der Haltestelle „Eggenbergergürtel“ nach unten und tauchte in eine Menschenmenge. Die Geschäfte waren gefüllt und ebenso die Gänge, nun herrscht anstelle von geschäftigem Treiben nur gähnende Leere. Nachdem Saturn 2008 ausgezogen war, folgten in den weiteren Jahren weitere Zugpferde wie Libro, Stiefelkönig oder Tchibo. Im Zuge der Neugestaltung des Bahnhofsplatzes wurde nun auch noch die Straßenbahnhaltestelle aufgelassen – ein weiterer Tiefschlag, den auch das Wettcafé Admiral spürt. „Vor vier Jahren, als ich angefangen habe, war hier alles voll. Menschenmassen, wo man hingeschaut hat.“ Die Stimme eines jungen Kellners wird lauter.„Es ist fast nichts mehr los, früher waren in diesem Stock noch ein Café, ein Modegeschäft und der A1-Shop“, erzählt er. Dabei zeigt er mit seinem Finger raus aus dem Lokal. Ein einziges Geschäft ist in diesem Gang übriggeblieben.
Die meisten Geschäftslokale in der Annenpassage stehen leer, der Rest ist mit Billigläden, Outlets, Dienstleistern und einem Supermarkt belegt. Wo einst Hervis war, ist nun ein €-Shop, wo Adessa war, ist nichts mehr, abgesehen von den alten Kassaschildern.
Wo Saturn war, ist nun das gesamte Stockwerk gesperrt. Übrig geblieben von den großen Zeiten sind hauptsächlich Geschäfte, die nicht auf Laufkundschaft angewiesen sind. Beim Videospiel-Veteranen Pilko steht ein Verkäufer mit enttäuschter Miene hinter der Kassa. „Wie lauft eigentlich das Geschäft?“ „Wieso wollt ihr das wissen?“ Diese Frage hört er vermutlich nicht zum ersten Mal. „Die Leute, die ihre Spiele eintauschen möchten, kommen sowieso hier her. Wir haben ja kaum Konkurrenz.“ Ob jetzt mehr oder weniger Menschen an seinem Geschäft vorbeilaufen, mache für ihn keinen Unterschied.
Besonders trist, ja fast wie eine Baustelle, sieht der nördliche Teil aus. Hier ist nur ein Piercing-Geschäft übrig geblieben. Der Besitzer scheint kaum oft vor der Kasse zu sitzen, vom Behandlungszimmer ganz zu schweigen. Er lehnt sich vor seinem Shop über das Geländer und blickt nach unten, einen Stock tiefer. Bei der Frage, ob er mit seinem Laden zufrieden sei, sagt er: „Es ist nichts wie früher, es kommen kaum neue Kunden vorbei. Höchstens die nächste Generation, wenn die Mutter hier war, kommt die Tochter auch. Aber sonst haben wir nur einige Stammkunden. Früher haben wir zu dritt gearbeitet, jetzt bin ich alleine hier.“ Hat er schon einmal an einen Umzug gedacht? Nachdenken, Schulterzucken. Er habe ein anderes Geschäft nahe dem Jakominiplatz, das sei seine Alternative. Erneut schweift der Blick ins untere Stockwerk und trifft auf Menschenleere.
Das soll sich nun ändern. Bereits 2009 forderten die Pächter von der Wiener Städtischen Versicherung, der die Annenpassage gehört, dass sich etwas ändern müsse. Nun wurde Immobilienplaner Heribert Krammer beauftragt, sich der Annenpassage anzunehmen. Krammer hat bereits zahlreiche Einkaufs- und Fachmarktzentren geplant, wie etwa das ECE in Kapfenberg oder die Shopping City Seiersberg. Bereits des Öfteren hat sich Krammer gegen das Shopping „auf der grünen Wiese“ ausgesprochen, weshalb die innerstädtische Annenpassage gewissermaßen eine Herzensangelegenheit für ihn ist.
„Natürlich ist es nicht optimal, dass die Straßenbahnlinien nicht mehr vor der Annenpassage stehenbleiben. Rund 30 bis 40 Prozent der Besucherfrequenz gehen so locker verloren.“ Trotzdem plant Krammer den Umbau. Das klingt vielleicht nach Optimismus, ist aber vielmehr Überzeugung. Im zweiten Quartal will er der Wiener Städtischen sein Umbaukonzept vorlegen. Dabei wird von der Raumgestaltung bis zu den Sanitäranlagen alles neu geplant. „Das Ziel ist, die Annenpassage zu einem Nahversorgungszentrum zu machen. Und wir wollen die Leute zum Hingehen bewegen. Sie sollen sich denken: ‚Es schaut gut aus, es gefällt mir. Hier geh ich rein.‘“
– David Baumgartner & Matthias Strohmeier